Die globale Leitmesser der Fahrradwelt – die Eurobike – hat Anfang September nach Friedrichshafen geladen. Und tatsächlich: Neuheiten, Trends und Highlights aus der Welt gibt es nach wie vor auf der Eurobike zu entdecken, auch wenn viele große Marken der Messe inzwischen fernbleiben. Darunter Canyon, Cannondale, Orbea oder auch Specialized, um nur einige wenige Beispiel zu nennen. Und trotzdem gab es doch genügend Gründe, der Messe wieder einen Besuch abzustatten: erfreulicherweise waren insbesondere die kleineren Hersteller stark vertreten und boten einen guten Überblick der Geschehnisse im Urban Bike-Sektor. Zusammen mit der Möglichkeit, eine Vielzahl an Rädern auf dem großzügigen Testgelände fahren zu können, lohnte sich die Eurobike 2019 einmal mehr – wie sich im Folgenden (hoffentlich) zeigt:
Newcomer
Die im Rahmen der Messe vergebenen Eurobike Awards waren schon für viele Newcomer der Durchbruch – als Beispiel sei nur Coboc genannt, die vom Newcomer mit einem ersten E-Bike inzwischen ein ganzes Sortiment anbieten oder ebenso Cowboy, die aktuell recht erfolgreich durchstarten und 2017 den prestigeträchtigen Preis erhalten haben. Dieses Jahr wurden die Schweizer von Asfalt mit dem Start-Up Award und vieles deutet darauf hin, dass auch dieses Rad ein großes Ding werden könnte.
Beim Asfalt handelt es sich um ein Urban Bike mit fast unsichtbarem Antrieb, was für sich genommen nichts Besonderes mehr ist – diese Sparte an Bikes boomt geradezu. Doch einige Ideen fallen erst beim zweiten Blick auf, die das Asfalt dann doch recht einzigartig machen: so ist das Rad im Unterschied zu vielen Mitbewerbern mit einem Mittelmotor ausgestattet, was erst die Kombination mit Zahnriemen und Nabenschaltung ermöglicht. Letztere kommt von Enviolo (ehemals Nu Vinci) und schaltet stufenlos. Zudem sind im Rahmen gleich zwei Akkus mit je 250 Wh verbaut, was ebenso ein Novum ist (zwar bietet das Geos-Bike ebenso zwei Akkus, jedoch mit geringerer Kapazität). Ein Akku sitzt dabei im Unterrohr, der Zweite im Sattelrohr und kann dort auch bei Bedarf entnommen werden. Eher bekannt ist dann aber die fünfstufige Akkuanzeige im Oberrohr mit dem unten angebrachten Einschaltknopf – Coboc-Fahrer kennen das bereits 😉 Verfügbar sein soll das Asfalt-Bike im kommenden Jahr, der Preis soll dann bei 2.890 Euro mit einem Akku bzw. 3.090 Euro mit beiden Akkus liegen.
Auch weitere Newcomer tummelten sich auf der Eurobike in einem eigens dafür eingerichteten Bereich – für treue Leser dieser Seiten nicht unbedingt Newcomer, da viele schon hier Erwähnung fanden: So war Analog Motion vertreten und zeigte das überarbeitete Portfolio seiner E-Bike mit Minimalausstattung. Die neuen Modelle heißen AMX und sind in drei Varianten erhältlich (Classic, Mini und Tiefeinsteiger), der Motor leistet nun 250 Watt und es gibt ein sehr cooles Bedienteil mit OLED-Display. Aktuell sind die Räder via Indiegogo vorbestellbar, die Lieferung soll ab Februar 2020 erfolgen.
Daneben waren auch Cowboy mit dem aktuellen 2019er Modell vertreten, was sich nur geringfügig vom hier getesteten Vorjahresmodell unterscheidet. Ebenso konnte man das Geos-Bike mit ausreichend Spürsinn finden (allerdings nicht in der Newcomer-Arena) und sogar das Calamus One wurde ausgestellt (konnte aber allem Anschein nach nicht gefahren werden).
E-Bikes mit Fazua-Antrieb
Vor gut zwei Jahren kam der Fazua Antrieb an die Öffentlichkeit und wurde auch gleich in einigen teuren Rädern verbaut – allerdings war er bisher doch mehr ein Nischenprodukt als im Massenmarkt vertreten. Dass sich dies nun ändern könnte zeigen viele neue Bikes, die genau auf diesen kompakten Antrieb setzen. Das neue und relativ preiswerte Canyon Roadlite:ON wurde schon vorgestellt und war auf dem Fazua-Stand auch live zu sehen. Daneben gibt es den Antrieb nun auch vermehrt in Urban Bikes zu sehen und selbst der Kinderrad-Hersteller Woom ist mit von der Partie – schließlich will die solvente Zielgruppe der 7- bis 11-Jährigen technisch nicht abgehängt werden.
E-Bikes mit Bosch- und Shimano-Antrieb
Bosch ist traditionell im Mountainbike-Sektor stark vertreten – dank des relativ kompakten Active Line Plus-Antriebs gelang es nun auch im Bereich der Urban Bikes mit gutem Design Fuß zu fassen. So liessen sich die schon bekannten Schindelhauer-Modelle Heinrich, Hannah und Oskar ansehen und Probefahren, ebenso wurden die neuen Moustache-Bikes mit eleganter Akku-Integration vorgestellt.
Etwas verändert kommt das neue SD2 von HNF Nicolai daher – im Vergleich zum cleanen Vorgänger ist das Nachfolgemodell nur noch mit Federgabel zu haben.
Creme Cycles macht bei den E-Bikes der Ristretto- und Eve-Serie in Sachen Elektrifizierung mit den aktuellen Shimano-Antrieben einen gänzlichen Neuanfang. Die Älteren mögen sich noch erinnern: anfangs setzte man auf ein recht erfolgloses System von SRAM. Das Problem des recht klobigen Akkus löst man so, indem man es nicht löst – sondern offensiv damit umgeht und schlicht auf den Rahmen drauf setzt, den Akku dann aber immerhin in einer schicken Hülle verpackt.
E-Bikes mit Nabenmotor
Wie eingangs erwähnt boomt diese Kategorie aktuell und die Nachfrage nach minimalistischen Urban Bikes mit weitgehend unsichtbarem Antrieb scheint enorm. Seit Stunde Eins beschäftigt man sich bei Coboc mit diesem Thema und zeigte auf der Eurobike das neue Urban Trekking Bike TEN Merano, welches es auch in einer limitierten Version mit gelbem Rahmen geben wird. Zudem natürlich das neue Komfortbike Kallio mit Tiefeinsteiger-Rahmen.
Dass Schindelhauer mit dem Arthur auf den schon recht verbreiteten Antrieb von Mahle ebikemotion setzten wird, war längst klar. Allerdings wird das Rad erst Ende des Jahres erhältlich sein, weshalb es doch überraschend war, dass das Modell bereits auf dem Eurobike Testgelände gefahren werden konnte.
Auch Rabeneick und Kettler zeigten ähnliche Systeme mit kompaktem Nabenmotor und Akku im Unterrohr – allerdings machen gerade bei diesen minimalistischen Designs die Details den Unterschied. Weder das Bedienelement, noch der nach oben offene Akku wollen beim Kettler so richtig gefallen und auch bei Rabeneick sieht der herausstehende Power-Knopf (dessen einzige Funktion das Ein- und Ausschalten des Motors ist) etwas unbeholfen aus.
Bei diesem Thema will es MTB Cycletech etwas besser machen und setzt beim neuen Souplesse ebenso auf den Mahle ebikemotion Antrieb, kombiniert mit Zahnriemen und Pinion-Getriebe. In Sachen Design mit asymmetrisch angebrachtem Power-Button sicherlich fragwürdig, technisch aber ein Leckerbissen, den bisher so nur Desiknio geboten hat. Preislich wird sich das Souplesse in vergleichbaren Gefilden bewegen und dürfte 2020 auch noch weitere Konkurrenz aus Berlin bekommen.
Letztlich zeigte auch Stromer eine spannende Neuheit, auch wenn es sich dabei „nur“ um ein Konzept handelte. Das Konzept ST2020 ist zwar weder zurückhaltend noch grazil, kommt aber mit 618 Wh Akku und einem Nabenmotor mit integrierter 5-Gang Nabenschaltung von Sturmey Archer. Dieser Aufbau ermöglicht dann auch die Nutzung des Zahnriemens von Gates, was nach einer perfekten Kombination klingt!
Urban Bikes ganz ohne Motor
Es gibt sie noch, die Räder ganz ohne Motor (und nein, der dämliche Begriff des „Bio-Bikes“ soll hier nicht genannt werden). Zwar kann man schon voraussehen, dass diese Sparte bald eine Nische sein wird – doch gibt es wie in jedem Spezialbereich stets genügend Macher, die das Thema in guten wie auch schlechten Zeiten interessant halten. Pashley zeigte wie gewohnt seine Stahlrahmen-Klassiker aus England, die sicherlich auch in 30 Jahren noch weitgehend ähnlich erhältlich sein dürften. Creme Cycles hatte schon immer ein breites Angebot an Modellen im Look klassischer Fahrräder mit filigranen Rahmen und viel Chrom, was auch nach wie vor den größten Teil des Sortiments ausmacht. Neben Spezialitäten wie dem Moulton-Faltrad gab es zudem viele zeitgemäße Modelle von Surley oder den Finnen von Pelago Bicycles zu sehen.
Zubehör en masse
Neben den Fahrrädern an sich gibt es auf der Eurobike natürlich auch schier endlos Zubehör rund ums Thema zu entdecken – ein kleiner Auszug an dem, was hängengeblieben ist: Pelago Cycles bietet neben den Fahrrädern auch eine ganze Reihe an Gepäckträgern an, im Speziellen Modelle für die Montage am Vorderrad. Eine Nische, die mit dem Sortiment der Finnen allerdings hervorragend abgedeckt wird.
Lenkerhalterungen für Smartphones spielen bei cleanen Urban Bikes zunehmend eine Rolle – wird doch meist ein Teil der Steuerung auf die jeweilige App ausgelagert. Das Angebot solcher Lösungen ist riesig und doch stechen manche Hersteller hervor. Hier zum Beispiel das System von SP Connect (welches übrigens auch Cannondale an den neuen Treadwell- und Quick-Bikes verbaut), welches zahlreiche Möglichkeiten auch abseits des Fahrrads bietet.
Wenig Neues gab es bei den Crane-Klingeln aus Japan zu entdecken – was auch nicht nötig ist, schließlich sind die Modelle bewährt und verhelfen nach wie vor so manchem Rad zu neuem Glanz. Basil bietet das Ganze Spektrum an Zubehör, hier seien nur beispielhaft die Gepäckträger-Boxen in hübschen Farben gezeigt. Das Samurai Lenkerband wurde ursprünglich für die Samuraischwerter benutzt und hat nun den Weg ans Fahrrad gefunden. Fühlt sich gut an und sieht gut aus! Ebenso aus Japan kommt Muni Lifecycle und das Sortiment des jungen Labels begeistert mit frischen Ideen: Eine Klingel mit integriertem Licht, ein abnehmbarer Fahrradständer, Rückspiegel und magnetische Lenkergriffe … Geschichten, um einen eigenen Artikel zu befüllen. Wird in Kürze gemacht!
Licht an: alles rund um die Beleuchtung
Auch dank der zunehmenden Elektrifizierung durch E-Bikes scheint das Thema Beleuchtung zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Busch & Müller (also Bumm) zeigten einige spannende Sonderanfertigungen für Hersteller – darunter überarbeitete Modelle der integrierten Schutzblech-Beleuchtung, welche nun auch das Licht seitlich abstrahlen.
Licht-Spezialist Supernova hatte den Mini 2 Pro im Gepäck – eine neue Variante des populären mini 2 mit zusätzlicher Fernlichtoption. Der größere Hingucker war aber das coole Gepäckträger-Rücklicht, welches zusammen mit Tubus entwickelt wurde und vorerst nur für Fahrradhersteller verfügbar sein dürfte.
Knog zeigt die hier schon vorgestellten Modelle Cobber und PWR, aber auch ein knuffiges Modell in vier Farben dessen Namen leider nicht mehr auf den Fotos erkenntlich ist. Trelock zeigte eine neue Reihe an USB-Betriebenen Akkuleuchten, teils mit Display und genauer Anzeige der restlichen Laufzeit. Ebenfalls einen Eurobike Award erlang Basil für den Gepäckträger Commuter Carrier mit Rücklicht. Sicherlich auch ein gutes Produkt – bis man eben das Modell von Supernova sieht …
Das Highlight kommt wie immer zum Schluss: Der LightSkin-Lenker steht kurz vor der StVZO-Freigabe und kann dann in den Verkauf gelangen, was nach einigen Verschiebungen nun tatsächlich Anfang kommenden Jahres passieren soll. Der Preis soll dann bei rund 100 Euro liegen und es wird – ebenso wie für die Lightskin-Sattelstütze – auch eine Variante für den Betrieb mit Nabendynamos geben.
Safety first: Fahrradschlösser
Trelock hat das halbe Sortiment umgekrempelt, dabei kamen sprangen auch einige Neuerungen für die Fahrradschlösser heraus: So sind unter anderem die Faltschlösser sind nun schlanker, flexibler und mit einer neuen Gummi-Ummantelung ausgestattet. Stichwort Ummantelung: Das Leipziger Label tex—lock sorgte vom Start weg mit einem neuartigen Textilgewebe für Aufsehen, was dem Schoss nicht nur eine welche Oberfläche sondern auch einen modischen Look bescherte. Neben vier verschiedenen Farben gibt es drei Kabellängen und zwei verschieden große Schlösser. Was den Look angeht, hat man sich bei Abus wohl inspirieren lassen und zeigte auf der Eurobike das bekannte Ivera-Schloss in neuen Farben.
Und sonst so?
Kleidung, Helme, Taschen, Anhänger, Kindersitze … es könnte noch ewig so weitergehen. Aber irgendwann ist Schluss und hier folgen noch ein paar letzte Eindrücke der Messe. Ortlieb unterzieht sein Sortiment einer Verjüngungskur und zeigte einige interessante Teile. POC bietet wie gewohnt cleane Radkleidung und Helme, bei Basil waren diese Regenjacken für RadfahrerInnen recht präsent. Speziell an Frauen richtet sich die Fahrradkleidung von IRIS aus den Niederlanden mit großartigen Mustern und Drucken. Und auch für den Transport der Kleinsten ist gesorgt: Bobike zeigte sein Sortiment Kindersitzen, welche ebenso wie die Modelle von Urban Iki schön gestaltet und in zeitgemäßen Farben erhältlich sind.
1 Kommentar zu „Rundgang: die Urban Bike Neuheiten von der Eurobike Fahrradmesse 2019“
Super Beitrag, weiter so!