Von wegen „Too Big to Fail"

Jetzt ist der Untergang offiziell: VanMoof ist insolvent! Doch wie konnte es dazu kommen?

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In unserem vorigen Artikel hatten wir den Anfang vom Untergang von VanMoof bereits befürchtet, seit gestern herrscht Gewissheit: VanMoof ist offiziell insolvent, der beantragte Zahlungsaufschub wurde vom Bezirksgericht Amsterdam zurückgewiesen. Das Gericht hat nun zwei Treuhänder damit beauftragt, einen Verkaufsprozess für die Vermögenswerte und Aktivitäten von VanMoof einzuleiten, um eine Partei zu finden, die bereit ist, die Aktivitäten von VanMoof weiterzuführen.

In den letzten Wochen haben Ties und ich [Taco Carlier] versucht, eine Zukunft für VanMoof zu finden. Wir bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass dies trotz unserer Bemühungen nicht gelungen ist und wir Konkurs anmelden mussten. Die Verwalter, die jetzt die Treuhänder sind, werden weiter unten erklären, was das für Sie bedeutet, aber wir möchten uns kurz bei Ihnen allen von ganzem Herzen bedanken.
Wir haben VanMoof vor 14 Jahren mit einer verrückten Idee gegründet, um die Welt zu verändern. Der einzige Grund, warum wir überhaupt etwas bewirken konnten, sind Sie: die Hunderte von engagierten und loyalen Menschen, die uns bei unserer Mission, Städte zum Besseren zu verändern, geholfen haben.
Wir sind jedem einzelnen von Ihnen dankbar und bedauern, dass wir diese Mission nicht gemeinsam zu Ende führen können.
Wir sind traurig, aber vor allem sind wir sehr stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben. Für uns war es die Ehre unseres Lebens, und auch wenn die aktuelle Version von VanMoof heute endet und wir noch nicht wissen, was die Zukunft bringt, bin ich zuversichtlich, dass die VanMoof-Alumni weiterhin eine Kraft für das Gute sein werden.

Mail an die Mitarbeitenden von VanMoof

Damit dürfte das Kapitel VanMoof vorerst beendet sein und was viele nicht für möglich gehalten haben, ist nun tatsächlich eingetreten: auch eine überaus bekannte und verbreitete Marke wie VanMoof (übrigens keineswegs ein „Start-up” wie vielfach falsch behauptet) ist nicht „Too Big to Fail“.

Gründe für das Aus von VanMoof

Neunmalkluge Besserwisser reiben sich seitdem die Hände vor Schadenfreude, stets betonend dass sie es ja schon immer gewusst hätten, dass dieses „Hipster-Rad” vollkommener Quatsch gewesen sei. Dass man den „VanMoof-Jüngern“ ja praktisch alles hätte verkaufen können und dass dieser „Hype“ einzig durch das Marketing so populär geworden sei. Doch ist es wirklich so einfach? Nein!

Alte Themen neu gedacht

Diese skeptische Haltung gegenüber Neuem und gegenüber anderen Herangehensweisen kennt man bereits aus anderen Sparten: Sei es Apple, die im Ursprung der einfachen Bedienung eines Computers mehr Bedeutung schenkten, als irgendwelchen Leistungsdaten. Die dann ein Smartphone entwickelten, das zwar über wenige Features verfügte, dafür aber einfach und gerne benutzt wurde. Oder Tesla, die Elektroantrieb, Vernetzung und Software-Features in eine Automobilwelt brachten in der bis dahin PS-Zahlen und Hubraum der Maßstab waren.

Gerade durch diese andere Herangehensweise, durch das Setzen von neuen Schwerpunkten wie dem Nutzererlebnis, eine einfache Bedienung und ebenso ein tolles Design erreichen solche Marken ganz neue Zielgruppen. Ist das entsprechende Produkt dann auch noch gut und qualitativ hochwertig, steht einer immer größer werdenden Verbreitung und Popularität nichts mehr im Wege. Das zeigen die beiden Beispiele Apple und Tesla, die inzwischen voll im Mainstream angekommen sind.

Ganz ähnlich war es mit VanMoof: auch hier schlug man andere Wege ein, begnügte sich bis zuletzt mit einem recht einfachen Nabenmotor im Vorderrad und fokussierte sich auf ganz andere Features. Kein anderer Mitbewerber bot so früh eine tiefgreifende Smartphone-Integration, Alarmanlage, Ortungsfunktion, das Ganze zudem noch verpackt in ein überzeugend schickes E-Bike!

Nicht das „was“ war das Problem, sondern das „wie“

Was war also bei VanMoof das Problem? Zweifelsohne hatte VanMoof bereits das Level einer hohen Popularität erreicht, die Produkte waren begehrt, durchdacht und wurden auch gerne benutzt – zumindest so lange, bis etwas daran kaputt ging. Und damit kommen wir zum ersten Problem von VanMoof, der Qualität der Bikes. Im Vergleich zu herkömmlichen E-Bikes setzten die Niederländer umfangreich auf eigens entwickelte Komponenten, die sich im Nachhinein oft als nicht haltbar genug herausstellten und zudem nur schwer als Ersatzteil zu beschaffen waren. So finden sich zum Beispiel zahllose Berichte über Probleme mit der automatischen Schaltung, die schon von Anfang an nicht ganz ausgereift war.

Leider hat VanMoof dieses Qualitätsproblem nie wirklich in den Griff bekommen und setzte stattdessen, auch aufgrund enormer Finanzeinlagen der Kapitalgeber, auf ein maximales Wachstum. Anstatt langsam und behutsam die Produkte zu perfektionieren, wurden immer neue Modelle mit wieder neuen Features auf den Markt gebracht oder auch nur angekündigt – den Höhepunkt erreichte man hier mit dem ambitionierten Speed-Bike Vanmoof V.

VanMoof V High Speed E Bike 2022 Design 1
Ein Konzept fürs Archiv: das Speed-Bike VanMoof V

Teil der Wachstumsstrategie war zudem ein wahrer Preiskampf, sicherlich auch angeheizt durch den Mitbewerber Cowboy. Zeitweise war ein VanMoof für rund 1.800 Euro zu haben, Cowboy bot sein Smart-Bike gar für 1.200 Euro an! Inzwischen weiß man, dass einem Hersteller bei solchen Beträgen kaum eine Gewinnmarge bleibt – wenn denn überhaupt. Kommen dann noch hohe Folgekosten für Garantiefälle wegen mangelnder Qualität hinzu, entwickelt sich das Ganze schnell zu einem deutlichen Verlustgeschäft. Dass die Verkaufspreise in letzter Zeit drastisch gestiegen sind, sollte dem noch entgegenwirken. Es dürfte aber auch zu einem Einbruch der Bestellungen geführt haben, zumal durch die aktuelle Inflation ohnehin deutlich weniger Fahrräder und E-Bikes verkauft werden.

Fazit

Das Produkt kann noch so innovativ und begehrenswert sein – wenn ein Hersteller dauerhaft die Qualität seiner Produkte nicht in den Griff bekommt, wird dies zum ernsten Problem. Und bei VanMoof wurde dies nochmals drastisch verschärft durch eine aggressive Wachstumsstrategie, bei der die Bikes teils zu Dumpingpreisen angeboten wurden.

Ob die Ansprüche von VanMoof an das Design der eigenen Produkte zu hoch waren? Ja und nein. Natürlich erfordert die hohe Integration mit vielen eigens konstruierten Teilen einen deutlichen Mehraufwand und zum Teil waren diese Features sicherlich auch etwas übertrieben. Doch hätte man dieses Punkte mit ausreichenden Tests, Zeit und den nötigen Gewinnmargen durchaus in den Griff bekommen können – doch nichts davon hatte wohl die nötige Priorität.

Mit der Insolvenz ist das Thema VanMoof nun fürs Erste beendet. Auch für den Markt allgemein dürfte dieses Exempel eine deutliche Warnung sein – und es bleibt abzuwarten, wie die Strategie bei Mitbewerbern wie Cowboy, Veloretti oder auch dem Neuling Lemmo in Zukunft aussieht. Die Zeiten großer Rabattschlachten dürften spätestens jetzt beendet sein. So bleibt abschließend nur zu hoffen, dass sich auch weiterhin noch Hersteller trauen werden, mit Innovationen und viel Mut einen ähnlich frischen Wind in die Branche zu bringen!

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