Viel Chrom, ein elegantes Design und liebevolle Details: das Voltaire Bellecour aus Frankreich ist eine Hommage an das klassische Fahrrad – kommt aber ganz zeitgemäß mit modernem E-Antrieb daher! Wie gut dabei der Spagat aus Tradition und Moderne gelingt, soll dieser Test zeigen.
Design
Fangen wir gleich beim Auffälligstem an, dem Design des Bikes: Voltaire setzt hier alles auf Retro und spendiert dem kompakten Bike mit Komfortrahmen einen herrlichen Vintage-Look! Erreicht wird dies durch die zahlreichen polierten und verchromten Anbauteile wie Schutzbleche oder das Cockpit mit Vorbau und Lenker. Dass dabei auch Augenmerk Details gelegt wird, zeigt zudem der Nabenmotor von MIVICE, der hier speziell mit einem silbrigen Gehäuse versehen wurde und damit auch perfekt zu den gleichfarbigen Felgen passt.
Als perfekter Kontrast zu all den spiegelnden Bauteilen erweisen sich die braunen Lenkergriffe sowie der Sattel – beides trägt ebenso zum klassischen Design bei! Unterstützt wird dies vom recht filigranen Erscheinungsbild des Bikes: so ist das Bike in seinen Abmessungen kompakt, wozu auch die recht kleinen 26″ Laufräder beitragen. Zudem sind die Rohre des Rahmens angenehm schlank, wie man es von traditionellen Fahrrädern kennt.
Eine Ausnahme gibt es aber: das Sitzrohr ist auffällig dick geraten, was einen konstruktiven Grund hat: dort ist nämlich der entnehmbare Akku untergebracht, der sich bequem nach oben herausziehen lässt. Eine sehr spezielle Lösung, die sich Voltaire hier ausgedacht hat! Dem schlanken Erscheinungsbild schadet dies nicht unbedingt, solange die ebenso voluminöse Sattelstütze nicht zu weit herausgeschoben werden muss. Als Anhaltspunkt: auf den Fotos ist die Sitzhöhe für eine Körpergröße von etwa 170 cm eingestellt.
Ausstattung
Die wesentlichen Komponenten des Voltaire Bellecour sind rasch aufgezählt: so besteht der elektrische Antrieb des Bikes aus dem kompakten und 1,7 kg leichten Nabenmotor M070 von MIVICE im Hinterrad. Das Drehmoment des Motors beträgt 35 Nm, die Steuerung des Antriebs erfolgt – typisch bei MIVICE – über einen Drehmomentsensor, der eine besonders harmonische Unterstützung beim Fahren ermöglicht (dazu aber mehr im Fahreindruck weiter unten). Der im Sitzrohr platzierte und herausnehmbare Akku bietet eine Kapazität von 360 Wh, die Bedienung des Antriebs erfolgt über ein kompaktes OLED-Display am Lenker mit dem sich zwischen drei Fahrstufen wählen lässt und das zudem Infos wie Geschwindigkeit und Batteriezustand anzeigt.
Die Kraftübertragung vom Kettenblatt zum Motor erfolgt ganz modern über einen Zahnriemen vom Hersteller Toptrans anstatt der klassischen Fahrradkette. Die Gefahr, sich Hose oder Rock an einer fettigen Kette zu verschmutzen, besteht damit nicht. Als Singlespeed-Bike braucht das Bellecour natürlich keinen Schalthebel, sehr wohl aber zwei Bremshebel an Lenker. Diese steuern die hydraulische Scheibenbremsen von Tektro, welche auch bei Nässe für ordentliche Verzögerung sorgen. Komplettiert wird das Cockpit mit dem komfortabel geschwungenen Lenker mit einer Fahrradklingel von Crane, die perfekt zum Retro-Look des Bikes passt.
Für den alltäglichen Einsatz in der Stadt bietet das Bike stabile Metallschutzbleche, in die elegant das Rücklicht integriert ist. An der Front ist ein nicht näher spezifizierter Scheinwerfer verbaut, der 100 Lux Lichtstärke bieten soll. Beide Lichter werden über den E-Bike Akku mit Strom versorgt. Praktisch im Alltag ist das serienmäßig verbaute Rahmenschloss am Hinterrad sowie der robuste Doppelständer, mit dem sich das Rad stabil aufbocken lässt. Mit der abgebildeten Ausstattung ist dieser Ständer sicherlich etwas unterfordert, allerdings bietet Voltaire auch Optionen für Front- und Heckgepäckträger sowie einen Kindersitz – dann dürfte man den stabilen Stand sicherlich stärker zu schätzen wissen!
Wie bereits erwähnt rollt das hier getestete Bellecour auf kompakten 26″ Rädern daher, was der kleinen Rahmengröße geschuldet ist. Diese soll Fahrerinnen und Fahrern zwischen 155 und 175 cm Körpergröße passen. Für größere Menschen gibt es das Bike auch in einer zweiten Größe, die dann mit 28″ großen Rädern ausgestattet ist. Als Reifen ist jeweils der RoadCruiser von Schwalbe mit 47 mm Breite verbaut.
Bedienung
Die Bedienung des elektrischen Antriebs erfolgt einzig über das Display am Lenker, das mit zwei Tastern zur Ansteuerung der Unterstützungsmodi ausgestattet ist. Wir kennen diesen Display-Typ bereits aus anderen Tests und können diesem auch hier ein Lob aussprechen. Die Anzeige ist hell und gut lesbar, die Taster gut erreichbar und mit klar definiertem Druckpunkt. Für die jeweilige Unterstützungsstufe drückt man einfach nach oben bzw. nach unten, ein längerer Tastendruck aktiviert die Beleuchtung.
Über eine weitere Taste lassen sich verschiedene Informationen am Display anzeigen – leider vermissten wir dabei aber beispielsweise eine präzise Auskunft über die vorhandene Restkapazität des Akkus. Diese wird einzig über ein Batterie-Symbol mit drei Balken angezeigt, eine Anzeige in Prozent oder mit der verbleibenden Reichweite gibt es nicht.
Stichwort Akku: zwar ist das System mit dem Akku im Sitzrohr recht ungewöhnlich, die Handhabung allerdings durchaus einfach. Über einen stabilen Metallhebel lässt sich die etwas klobige Mechanik entriegeln und das Oberteil mit dem Sattel nach vorne klappen. Danach kann man den Akku bequem mit einer Handschlaufe aus dem Rohr ziehen und zum aufladen mitnehmen. Um den Akku vor Diebstahl zu schützen, kann dieser mit einem kleinen Schloss am Bike gesichert werden. Allerdings ist dieses tief am Tretlager platziert ist, wozu man sich stets weit nach unten bücken muss. Gleiches gilt für den Ladeanschluss, der an derselben Stelle verbaut ist und über den sich die Batterie direkt im Bike aufladen lässt.
Fahreindruck
Einen Punkt hatten wir noch nicht angesprochen: so kompakt und zierlich das Voltaire Bellecour auch ist, bringt es doch einige Kilo auf die Waage. Genauer gesagt wiegt das Bike 21,8 kg und ist damit überraschend schwer! Trotzdem kaschiert es dieses Gewicht beim Fahren ganz gut, denn es wirkt erfreulich wendig, flink und direkt.
Gründe gibt es hierfür mehrere: zum einen sorgen schon die recht kleinen Laufräder im 26″-Format für eine gewisse Agilität, zum anderen trägt wesentlich der elektrische Antrieb von MIVICE dazu bei. Dank des Drehmomentsensors reagiert dieser ausgesprochen direkt und liefert präzise die benötigte Unterstützung. Neben der leisen Arbeitsweise fällt auch die überraschend kräftige Leistung des Motors auf: zwar haben Singlespeed-Bikes ohne Gangschaltung an Anstiegen bekanntermaßen ein Handicap, doch schlug sich der kompakte M070 im Test wacker. Auch etwas längere Bergauf-Passagen ließen sich mit der nötigen Eigenleistung im Sitzen bezwingen (in den Wiegetritt geht man mit diesem Komfortlenker eher ungern). Trotzdem ist das bevorzugte Terrain des Bellecour in der Ebene – und hier steht einem dann ohnehin genügend Power zur Verfügung!
An der Grenze von 25 km/h erfolgt die gesetzlich vorgegebene Abschaltung des elektrischen Antriebs sehr harmonisch – doch wird man sich meist unterhalb dieser Grenze bewegen. Denn eines ist auch klar: das Voltaire Bellecour ist sicherlich kein Bike, das man fährt um schnellstmöglich am Ziel anzukommen. Durch die sehr aufrechte Sitzposition mit dem hohen und nach hinten gebogenen Lenker liegt der Schwerpunkt ganz klar auf Komfort. Mit dem Bellecour cruist man viel lieber lässig durch die Gassen, um dann beim Bäcker ein frisches Baguette abzuholen!
Fazit
Mit seinem charmanten Retro-Look bietet das Bellecour eine willkommene Abwechslung zu gewöhnlichen Urban E-Bikes. Neben der Optik überrascht das Bike zudem mit speziellen Lösungen wie der Integration des herausnehmbaren 360 Wh-Akkus. Bekannt und bewährt ist hingegen der elektrische Antrieb von MIVICE, der auch in diesem Bike einen hervorragenden Eindruck hinterlässt.
Mit Schutzblechen, Lichtanlage, Doppelständer und Rahmenschloss ist die Ausstattung sehr umfangreich und wird den alltäglichen Anforderungen in der Stadt gerecht. Sicherlich auch ein Grund für das überraschend hohe Gewicht des Bikes, was aber während der Fahrt gut kaschiert wird. Hier hinterlässt das Bellecour erfreulicherweise einen direkten und agilen Eindruck – was es in Kombination mit der bequemen Sitzposition und der einfachen Bedienung zur einem ziemlich attraktiven Stadtrad macht. Und attraktiv ist auch der Preis, denn Voltaire verlangt für das Bellecour faire 2.290 Euro!