Zeit ist ein kostbares Gut – und meistens hat man viel zu wenig davon. Umso schöner also, wenn man zwischendurch mal nicht in Eile ist und auf dem schnellsten Weg von A nach B kommen muss. Querfeldein durch die Natur anstatt entlang asphaltierter Straßenschluchten? Gerne doch! Voraussetzung dafür ist natürlich das passende Bike, und genau hier kommt das Moustache J ins Spiel – ein besonders vielseitiges und vollgefedertes E-Bike für jede Art von Terrain. Wir nehmen in unserem Test das J.all mit auf die Panorama-Route über Waldwege bis hinab in die Stadt und legen dabei auch eine kleine Espresso-Pause ein!
Design
Bevor es losgeht, schauen wir uns das Moustache J mal etwas genauer an. Schon auf den ersten Blick fällt der geradlinige Tiefeinsteiger-Rahmen auf, der aus einem Aluminum-Gussteil besteht und komplett in Frankreich – der Heimat von Moustache – gefertigt wird. Damit trägt der Rahmen auch maßgeblich zum Ziel des Herstellers bei, möglichst viele Teile des Bikes mit kurzen Produktionswegen vor Ort zu produzieren.
Am unteren Teil des Rahmens setzt eine gefederte Schwinge zum Hinterrad an, in welcher der komplette Antrieb des Bikes integriert ist. Dank des großen Kettenschutzes und der schwarzen Kontrastfarbe fällt dabei der recht voluminöse Bosch Performance Line-Mittelmotor kaum störend auf. Der Rest des Antriebs ist dank Enviolos stufenloser Nabenschaltung und des Zahnriemens visuell hingegen sogar sehr puristisch.
Wie die Schwinge sind auch alle anderen Anbauteile des Bikes in mattem schwarz gehalten, was den Rahmen selbst – hier in der Farbe Olive Green – nochmals hervorhebt. Dass das Bike trotz umfangreicher Ausstattung einen recht cleanen Look hat, wird durch einige Tricks erreicht: der Gepäcktaschenhalter am Hinterrad etwa ist angenehm schlank gestaltet, der Scheinwerfer an der Front elegant in den Vorbau integriert und die maßgefertigten Schutzbleche passen sich exakt der Bereifung an. Auch die weitgehend unsichtbar verlegten Kabel und Leitungen lassen das Bike sehr aufgeräumt wirken.
Doch genug der Äußerlichkeiten: die Fahrt geht los, das Wetter passt und Zeit ist da! Kurz wird noch die Gepäcktasche gepackt, die dank des Ortlieb QL3-Systems sicheren Halt am Bike findet. Dies auch auf ruppiger Fahrt, denn anstatt der geteerten Strecke nehmen wir den Umweg durch die Natur. Mit der Federung des Bikes und geländetauglicher Bereifung ist dies kein Problem.
Ausstattung
Hier im Wald zeigt sich die Unterstützung des Motors natürlich besonders eindrucksvoll. Dass es sich dabei um den Bosch Perfomance Line Motor handelt, hatten wir bereits eingangs erwähnt – doch gibt es noch einiges zu diesem Antrieb zu sagen. Auf den ersten Blick wirkt es etwas verwunderlich, dass Moustache hier nicht das aktuelle Topmodell mit dem Zusatz CX nutzt, sondern auf die bewährte und etwas ältere Variante setzt. Doch gibt es dafür gute Gründe: einerseits ist wurde die Leistung des regulären Performance Line-Motors in den letzten Jahren nach und nach gesteigert und mit seinen aktuell 75 Nm Drehmoment steht er dabei dem Topmodell kaum nach. Dafür bietet er aber eine überaus leise Geräuschkulisse, mit der er das CX-Modell aussticht. Für solch ein E-Bike, das besonders den Fahrkomfort im Blick hat, eine goldrichtige Entscheidung!
Dank Boschs Smart System ist der Antrieb zudem auf dem neuesten Stand in Bezug auf Konnektivität und Bedienung: So ist serienmäßig das Bosch ConnectModule an Bord, mit dem sich das Bike optional per GPS orten lässt und eine Alarmfunktion integriert. Die Steuerung des Antriebs erfolgt über das neue und 2,8″ große Kiox 500 Farbdisplay in Kombination mit der LED Remote am Lenker. Komplettiert wird der elektrische Antrieb vom PowerTube Akku, der beim J wahlweise mit 500 Wh oder mit 625 Wh erhältlich ist. Optional ist das System zudem mit Boschs PowerMore-Zusatzakku kompatibel, der weitere 250 Wh bietet.
Gleich drei Möglichkeiten bietet Moustache für das J.all für die Schaltung des Bikes: Klassische Kettenschaltung, stufenloses, vollautomatisches Enviolo-Getriebe und das stufenlose, mechanische Enviolo TR-Getriebe mit einer Bandbreite von 380%. Letzteres war am Testrad montiert und lässt sich über einen klassischen Drehgriff am Lenker bedienen. Die Kraftübertragung zum Hinterrad erfolgt dabei über den weitgehend wartungsfreien und sauberen Riemenantreib von Gates.
Die Vollfederung des J ist sicherlich eines der Hauptmerkmale des Bikes – hier am J.all kommen dazu die SR Suntour Mobie XCR 34 Air-Federgabel mit satten 120 mm Federweg sowie ein Magic Grip Control-Dämpfer von Moustache mit 115 mm Federweg zum Einsatz.
Zur Alltagsausstattung gehören die fest installierte Lichtanlage mit dem 100 Lux starken Lighthammer-Schweinwerfer von Trelock und einem Rücklicht von Spanninga am Schutzblech. Diese stabilen Aluminium-Schutzbleche sind passgenau für die 66 mm breiten Schwalbe Johnny Watts-Reifen im 27.5″-Format gefertigt, am Hinterrad ist zudem der bereits erwähnte Gepäcktaschenhalter angebracht. Dank der Position des Seitenständers am Hinterbau lässt sich das Bike auch bei ausgeklapptem Ständer noch problemlos rangieren und kollidiert dabei nicht mit den Pedalen.
Die Strecke durch den Wald meistert das J entspannt: die groben Stollenreifen bieten dabei einen guten Grip und die Federung glättet die Unebenheiten gekonnt. Und dank des 68 cm breiten Lenkers hat man dabei stets Kontrolle über das Geschehen. Da man hier im Gelände auch mal aus dem Sattel gehen muss, hilft die Dropper-Sattelstütze; kurz abgesenkt lässt sich dann der Körper weit nach hinten bewegen.
Bedienung
Keinerlei Fragen lässt die Bedienung des Bikes offen: dank des bewährten Bosch-Systems ist der elektrische Antrieb einfach und intuitiv zu steuern, die Bedienelemente haben einen guten Druckpunkt und das Display ist in jeder Situation gut ablesbar – auch dank der großen Bildschirmdiagonale und der zentralen Position mittig am Lenker. Erwähnenswert ist zudem die Integration des Akkus, der zum aufladen bequem von oben aus dem Oberrohr entnommen werden kann.
Ähnlich einfach ist auch die stufenlose Enviolo-Schaltung zu steuern: Mit dem Drehgriff am Lenker passt man die gewünschte Übersetzung an, wobei ein kleines Display fast schon spielerisch die Funktion verdeutlicht: ein kleines Fahrrad-Symbol zeigt an, ob sich die eingestellte Übersetzung für Bergauffahrten oder solche in der Eben eignet. Bemängeln kann man am Drehgriff höchstens sein etwas große Spiel und den weiten Weg zwischen den beiden Endpunkten der Gesamtübersetzung.
Auch die absenkbare Dropper-Sattelstütze wird bequem vom Lenker aus gesteuert und fährt unter Belastung bis zur gewünschten Position nach unten. Damit sie wieder nach oben ausfährt, geht man einfach kurz aus dem Sattel. An die eigenen Vorlieben lassen sich natürlich auch die federnden Elemente anpassen: so lässt sich der Luftdruck der Federgabel an das eigene Gewicht anpassen, am Hinterrad-Dämpfer gelingt dies sogar noch einfacher mit einem Einstellrad.
Die Power des Motors ist gut kontrollierbar und bietet genügend Reserven, um auch mit der Enviolo-Schaltung steilere Anstiege zu bezwingen. Zwar ist die Bandbreite des stufenlosen Getriebes mit 380% kleiner als beim Modell mit Kettenschaltung, dafür ist der Antrieb zusammen mit dem leisen Motor selbst hier im Wald besonders geräuscharm. Bergab führt die Strecke dann entlang steiler Serpentinen. Auch hier arbeitet die Bremsanlage des bislang eher unbekannten Herstellers Alhonga verlässlich und kommt auch mit dem recht hohen Gewicht des Bikes gut zurecht.
Fahreindruck
Mit seinem Tiefeinsteiger-Rahmen richtet sich das J klar an alle, die komfortabel unterwegs sein wollen. Wobei zu beachten ist, dass der Durchstieg wegen der Schwinge etwas höher ist als bei gewöhnlichen Tiefeinsteiger-Bikes. Die Sitzposition selbst ist aufrecht und bequem, was auch durch den nach hinten geschwungenen Lenker erreicht wird. Zudem lässt sich der Vorbau verstellen, was weitere Anpassungen an die eigene Sitzhaltung ermöglicht.
Die Fahrt mit dem J ist dann in vielerlei Hinsicht entspannt: Zum einen natürlich durch den leisen Motor und Riemenantrieb, zum anderen durch das stufenlose Getriebe, mit dem sich ohne Unterbrechung die Übersetzung anpassen lässt. Im Vergleich zur Kettenschaltung geschieht dies sanft und geräuschlos, allerdings fühlt sich der Antrieb damit auch etwas weniger direkt und reaktionsschnell an. Doch ist das Bike ist ohnehin nicht auf eine besonders hohe Wendigkeit und Agilität ausgelegt, was auch am relativ hohen Gewicht von rund 30 kg sichtbar wird.
Vielmehr liegt der Schwerpunkt darauf, möglichst gelassen am Ziel anzukommen – und das gelingt dem J sehr gut! Neben der Sitzhaltung trägt dazu natürlich die Federung bei, die jeglichen Untergrund souverän glättet. Dass das nicht nur auf Abwegen durch die Natur vorteilhaft ist, zeigt sich auch in den Gassen der Altstadt: auf Kopfsteinpflaster muss man mit dem J das Tempo jedenfalls nicht mehr wirklich verringern …
Die grobe Bereifung des Bikes bietet einen guten Kompromiss aus guter Traktion auf losem Untergrund oder Waldwegen, rollt aber auch auf glattem Asphalt gut ab. Dort machen sich die Reifen durch ihr etwas höheres Laufgeräusch bemerkbar – doch das auch nur, weil der Rest des Antriebs so leise ist. Etwas lauter wird der Motor erst unter Vollast an steilen Anstiegen. Solche lassen sich mit auch dem J weitgehend problemlos bezwingen, limitierender Faktor ist hier höchstens die Bandbreite des Enviolo-Getriebes. Doch bezwang das Bike auf unserer Testfahrt jede Steigung, wenn auch manchmal etwas gemächlicher im Tempo.
Dass die Dropper-Sattelstütze nicht nur im Gelände gute Dienste leistet, zeigte sich auch bei den Zahlreichen roten Ampeln in der Stadt. Auch hier lernt man es zu schätzen, per Knopfdruck den Sattel einfach absenken zu können um dann sicher mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen!
Kopfsteinpflaster? Welches Kopfsteinpflaster? Es dauert nicht lange, bis man mit dem Moustache J jeglichen Respekt vor Schlaglöchern, Bordsteinkanten und anderen Widrigkeiten verliert. Dank der üppigen Federung rollt man über solche Hinternisse souverän hinweg und muss die komfortable und aufrechte Sitzposition dazu nichtmal verlassen.
Fazit
Als universelles Allround-Bike hinterlässt das Moustache J.all im Test einen überzeugenden Eindruck! Der kraftvolle, aber leise Antrieb und das stufenlose Getriebe passen wunderbar zum entspannten Charakter des Bikes, beim dem der Fahrkomfort im Vordergrund steht. Der vollgefederte Rahmen und die grobe Bereifung bieten die Möglichkeiten für Ausfahrten durchs Gelände, dank der kompletten Commuter-Ausstattung macht das J aber auch in der Stadt eine ebenso gute Figur.
Diese Vielseitigkeit hat aber auch ihren Preis, der sich zum einen beim recht hohen Gewicht des Bikes bemerkbar macht, zum anderen auf dem Preisschild: so startet das getestete J.all mit Eviolo-Getriebe bei 5.999 Euro, wobei hier natürlich auch die lokale Produktion des Rahmens und anderer Komponenten in Frankreich eine Rolle spielen. Doch auch dieser ganzheitliche Ansatz für mehr Nachhaltigkeit macht das J zu einem ziemlich ungewöhnlichen Bike, das eine willkommene und dabei überzeugende Alternative zu vielen gewöhnlichen E-Bikes darstellt!
Neben dem Olive Green des Testrads ist das Moustache J auch in schwarz und Silk Grey zu haben. Alle Konfigurationsmöglichkeiten und die beiden anderen Varianten J.on und J.off lassen sich direkt auf der Website von Moustache einsehen.