Wenn Autohersteller plötzlich das Fahrrad für sich entdecken, ist Vorsicht geboten. Allzu oft dient der Ausflug in die Zweiradwelt nur dem Greenwashing, manchmal handelt es sich um ein lieblos umgelabeltes Standardmodell – oder um eine überambitionierte Designstudie, die nie in Serie geht.
Beim Elektroautohersteller Rivian scheint es diesmal jedoch mehr Substanz zu geben. Um das Thema Mikromobilität ernsthaft anzugehen, hat das Unternehmen eigens die Marke ALSO gegründet. Diese soll sich ganzheitlich sogenannten Small Electric Vehicles widmen – also allem, was kleiner, leichter und urbaner ist als ein Auto. Nach dem vierrädrigen Konzept eines Leichtfahrzeugkonzept namens TM-Q folgt nun mit dem TM-B das erste E-Bike der Marke.
Dass das Bike auch tatsächlich bestellbar ist lässt hoffen, dass Rivian und ALSO beim Thema Fahrrad mehr beabsichtigen als ein bloßes Nachhaltigkeits-Statement. Und statt Gängiges einfach zu kopieren, definiert ALSO das E-Bike auf seine Weise erfrischend neu: modular, digital und fast schon automobil gedacht.

Von Tour zu Cargo: Modularer Rahmen
Das beginnt beim Rahmenkonzept, genauer gesagt beim Sitz. Das TM-B besitzt ein austauschbares Sitzrohrsystem, bei dem Sattelstütze und Sitz eine Einheit bilden und sich komplett entnehmen lassen. Drei Module stehen zur Auswahl: ein klassischer Sattel für sportliche Touren, eine verlängerte Sitzbank im Stil eines Mofas sowie eine Kombination aus Sitz und Gepäckträger, die das Bike zur praktischen Transportlösung macht. Dieses modulare Prinzip verleiht dem TM-B eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit – vom urbanen Commuter bis zum Freizeitfahrzeug.



Für hohen Fahrkomfort ist das Bike vollgefedert mit jeweils 120 mm Federweg an Front und Heck. Und je nach Einsatzzweck stehen grobstollige Geländereifen oder schnelle Reifen für urbanes Terrain zur Auswahl.
Auch der Akku ist auf Flexibilität ausgelegt. Er lässt sich herausnehmen, per USB-C mit bis zu 240 W aufladen und kann gleichzeitig als Powerbank dienen. ALSO nennt keine genauen technischen Daten, spricht aber von zwei Varianten: einer kleineren mit bis zu 60 Meilen (rund 95 km) und einer größeren mit 100 Meilen Reichweite (rund 160 km). Damit richtet sich das TM-B sowohl an Pendler mit täglichem Ladebedarf als auch an Fahrer, die längere Touren planen – und das ohne auf umständliche Ladegeräte angewiesen zu sein.
Elektrischer Antrieb neu gedacht
Den vielleicht größten Innovationssprung wagt ALSO beim Antriebssystem, das den Namen DreamRide trägt. Hier gibt es keine direkte mechanische Verbindung zwischen Tretkurbel und Hinterrad. Stattdessen wird die Pedalbewegung von einem Generator in elektrische Energie umgewandelt. Eine Software analysiert, wie kräftig oder sanft der Fahrer tritt, und steuert einen separaten Motor, der das Hinterrad über einen Gates-Zahnriemen antreibt. Es soll so ein außergewöhnliches Fahrgefühl bieten – leise, weich und intuitiv –, fast wie eine Verschmelzung aus Radfahren und E-Scooter. Laut ALSO soll DreamRide das Fahrverhalten individuell anpassen und ein „Erlebnis bieten, das vom Fahrer bestimmt wird, nicht von der Straße“.



Voll vernetzt und digital durchdacht
Am Lenker befindet sich ein rundes Touch-Display in hoher Auflösung, das alle wichtigen Daten anzeigt – Geschwindigkeit, Akkustand, Navigationshinweise oder Systemupdates. Dank GPS-Tracking, Alarmfunktion und Over-the-Air-Updates ist das TM-B vollständig vernetzt. Eine begleitende App erlaubt die Ortung, Diagnose und Anpassung von Fahrprofilen. Natürlich sind auch Lichtanlage und Blinker direkt im Bike integriert – keine Zusatzteile, sondern Teil des Designs.
Mit einem Preis von rund 4.500 Euro für die erste Launch Edition positioniert ALSO das TM-B im oberen Premiumsegment. Die Auslieferung soll im Frühling 2026 beginnen, aktuell ist das Bike aber ohnehin nur in Nordamerika bestellbar. Der Preis des späteren Serienmodells dürfte etwas günstiger ausfallen, dieses soll gegen Ende 2026 verfügbar sein. Ob die Bikes irgendwann auch in Europa erhältlich sein werden, bleibt vorerst fraglich – zumal der E-Antrieb eher einem „Bike-by-Wire“-System entspricht und von gängigen Standards in der EU abweicht.




